BILD im BT-Wahlkampf 2013

Vorwort

Der Axel Springer Verlag ist - bei Lichte besehen - nur ein kleiner Bruder so großer Geschwister wie Google und Facebook. "Mit vierzehn Milliarden Jahresgewinn macht Google etwa zwanzigmal so viel Profit wie Axel Springer", sagt kein Geringerer als der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner. Herr Döpfner spricht vom Jahr 2013 und meint 14 Milliarden Dollar. Er hat kein Problem damit, dass ein Konzern so viel Profit macht, ihn stört nur, dass es nicht sein Konzern ist. Die Axel Springer SE erzielte nach Mathias Döpfner, Adam Riese und dem aktuellen Devisenkurs 2013 offenbar 'nur' circa 500 Millionen Euro Jahresgewinn. Rund die Hälfte dieses Gewinns kommt aus dem Springer- Verlagssegment "Bezahlangebote". Dessen inländisches Geschäftsfeld umfasst im Wesentlichen alle digitalen und Print-Aktivitäten der "Bild"- und der "Welt"-Gruppe. Noch immer ist die "Bild"-Gruppe der Goldesel im Stall des Axel Springer Verlages. "Verrat am Verbraucher, der nicht mehr das für ihn Wichtigste und Beste findet, sondern das für Google Profitabelste", wirft der Springer-Vorstandsvorsitzende dem Unternehmen Google vor und fordert die EU-Kommission auf einzuschreiten. Gut möglich, sogar sehr wahrscheinlich ist, dass Mathias Döpfner recht hat. Allerdings drängt sich sofort eine Anschlussfrage auf. Was finden die Verbraucher, die Leserinnen und Leser in "Bild" und "BamS"? - das für sie Wichtigste und Beste oder das für den Springer Verlag Profitabelste?

Als kritisches gesellschaftspolitisches Forum interessiert sich die Otto Brenner Stiftung sehr dafür, wie Menschen von Unternehmen behandelt werden: sei es in ihrer Rolle als Beschäftigte, sei es in der wirtschaftlichen Rolle der Konsumenten, sei es in der politischen Rolle der Staatsbürger. Der Souverän der Demokratie, die Bürgerinnen und Bürger, sind darauf angewiesen, dass ihnen die Medienunternehmen vielfältige und fundierte aktuelle Informationen über die Politik vermitteln, über Ideen, Pläne, Kontroversen und Beschlüsse. Die demokratischen Erwartungen an die Politikberichterstattung der Medien sind nicht nur vom Bundesverfassungsgericht oft formuliert und festgeschrieben worden. Der prüfende Blick auf die alltägliche Praxis der Berichterstattung stellt sich als ständige Aufgabe - ganz besonders in Zeiten des Wahlkampfs und für so große, reichweitenstarke Medien wie "Bild" und "BamS". Nach ihren Studien über die "Bild"-Praxis in der Griechenland- und Eurokrise sowie im Fall des schließlich zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff haben die beiden OBS-Autoren Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz die Berichterstattung von "Bild" und "BamS" im Bundestagswahlkampf 2013 untersucht. Zu wessen Vorteil und zu wessen Lasten die beiden Springer-Blätter berichten, überrascht nicht. Die Details der Machart aufgezeigt zu bekommen, ist trotzdem oder gerade deshalb spannend.

Der dramatischere Befund wird im Titel der neuen Studie ausgedrückt: "Missbrauchte Politik". Die beiden Autoren machen deutlich: Egal welche Personen und Parteien die beiden Boulevardmedien favorisieren oder benachteiligen, "Bild" und "BamS" geht es in erster Linie immer um sich selbst. Sie benutzen ihre politischen Freunde kaum weniger als ihre politischen Gegner für den eigenen Erfolg, der sich in Auflage, Werbeeinnahmen und am Ende in der Jahresbilanz niederschlagen soll. Die These der Autoren, dass die beiden Springer-Blätter damit in Deutschland nur die Spitze des Medien-Eisbergs bilden, verdient eine gründliche öffentliche Auseinandersetzung.

Die Rahmenbedingungen für "Bild"-Studien sind heute noch in anderer Hinsicht völlig anders als etwa vor zwanzig oder dreißig Jahren. Was früher undenkbar war, ist heute Alltag. "Bild" ist nicht nur im Selbstverständnis seiner Macher längst in die Mitte der Gesellschaft gerückt, sondern wird inzwischen in der Wahrnehmung konkurrierender Medienhäuser als ein "Leitmedium" akzeptiert. "Bild"-Geschichten werden mit namhaften Preisen ausgezeichnet, "Bild"-Journalisten heuern beim "Spiegel" an, "Spiegel"-Macher landen beim Springer-Konzern. In den 1960er Jahren bekämpften Springer-Zeitungen die Außerparlamentarische Opposition, heute feiert "Bild" sich selbst als APO. Hieß ein Slogan früher "Enteignet Springer!", hoffen heute Medienhäuser, dass der Konzern beim Entdecken neuer Geschäftsideen erfolgreich Vorreiter ist und dass er ihnen beim Ausschöpfen von Finanzquellen als Vorbild dienen kann.

Die Otto Brenner Stiftung hat sich mit der "Bild"-Trilogie, die mit dieser Veröffentlichung abgeschlossen wird, auf medienpolitisches Neuland gewagt. Die Ergebnisse der Untersuchungen und die Thesen der Autoren stießen (wie könnte es anders sein!) nicht immer auf ungeteilte Zustimmung. Dennoch: Wir haben kontroverse Diskussionen initiiert, neue Deutungen angeboten, kritische Debatten begleitet. Selbstverständlich sind auch Fragen offen geblieben, längst nicht alle Lücken bei der Erforschung von "Bild" sind geschlossen, neue Aspekte harren der Bearbeitung. Ich danke den Autoren für das der Stiftung entgegengebrachte Vertrauen und die erfolgreiche Zusammenarbeit. Wir hoffen, am Beispiel "Bild" drei wichtige Beiträge zum Spannungsfeld von Medienmacht, Demokratieentwicklung und kritischer Öffentlichkeit vorgelegt zu haben.

Die Geschäftsführung der Otto Brenner Stiftung